Whiskyseminar „The Devil Inside – Teuflisch gute Fassstärken älter 20 Jahre“

Darf man sich in der vorweihnachtlichen Adventszeit mit dem Teufel einlassen? Auf jeden Fall, wenn er in Gestalt von sieben Whiskys in Fassstärke, jeweils älter als 20 Jahre daherkommt. Marco Bonn (Brühler Whiskyhaus) lud Anfang Dezember zum Tasting mit dem Motto: „The Devil Inside“.

Aber wieso eigentlich „teuflisch“? Ältere Whiskys sind doch dafür bekannt, dass sie durch die längere Fassreifung weich und geschmeidig sind. Das Teufelchen trägt hier den Namen „Fasstärke“, klopft ganz leise an, um dann am Gaumen seine ganze Kraft zu entfalten. Genau diese Spielart macht den Reiz aus.

 

Uns erwarten also spannende Abfüllungen, absolut naturbelassen, kräftig und mit vollen Aromen, präsentiert von einem hervorragenden Gastgeber und wie immer: Genussvoll, entspannend, wissenswert und kurzweilig, mit vielen Geschichten und tollen Whiskys.

Versuchslabor

Den Auftakt am heutigen Abend macht ein 21 Jahre alter Glen Keith des unabhängigen Labels Malts of Scotland aus Paderborn. Gereift in einem Bourbon Hogshead und abgefüllt mit 51,8% vol.

Glen Keith, 21 Jahre, MoS

Die Brennerei Glen Keith ist eher unbekannt. Abfüllungen hieraus, die auch den Namen der Destille tragen, sind allenfalls bei unabhängigen Abfüllern zu finden. Dabei ist die Geschichte dahinter durchaus interessant. Der schottische „Blender“ Chivas Brothers begann im Jahre 1957 mit der Errichtung der Brennerei, welche im Jahr 1960 fertiggestellt wurde. Es handelt sich um die erste neu gegründete Destillerie in Schottland nach dem zweiten Weltkrieg. Sie diente dem Spirituosenkonzern zum einen dazu, die Produktionskapazitäten für die Blended Whisky Industrie drastisch zu erhöhen, zum anderen aber auch als „Versuchsbrennerei“ zur Entwicklung neuer Brennverfahren. Untypisch für eine in den schottischen Highlands gelegene Brennerei wurde zunächst auf drei Brennblasen destilliert. Später kehrte die Destillerie zur zweifachen Destillation zurück, erhöhte aber die Anzahl der Brennblasen auf insgesamt sechs. Zum ersten Mal wurden bei Glen Keith auch Brennblasen mit Gas beheizt. Nach der Schließung im Jahr 1999 übernahm der Konzern Pernod Ricard im Jahre 2001 die Brennerei. Seit 2013 wird dort nun wieder produziert.

Bei dem am heutigen Abend verkosteten Whisky handelt es sich also noch um einen aus der „experimentellen“ Besitzzeit von Chivas Brothers vor der Schließung 1999. Ein gelungener Auftakt für ein Fassstärken-Tasting, denn mit dem ersten Schluck habe ich immer ein bisschen zu kämpfen. Da klopft das kleine Teufelchen erstmal an und teilt den Geschmacksnerven mit: „Jungs, es geht wieder los!“ Die 51,8% vol. kommen da gerade recht, ist diese Fassstärke doch noch verhältnismäßig weich und zugänglich. Überhaupt gefallen mir Whiskys mit Bourbonfassreifung ausgesprochen gut, so wie dieser hier.

Der Glen Keith überzeugt mit angenehmen Zitrusnoten, Milchschokolade, Zimt und einer angenehmen Würze. Etwas mehr Zeit im Glas bzw. ein paar Tropfen Wasser betonen die fruchtigen Noten: Frische Früchte wie Pfirsich, Apfel, im Nachklang dann das erste Mal etwas Eiche.

Im Rahmen eines solchen Tastings lassen sich freilich nur erste Eindrücke wiedergeben. Gerade mit derart alten Abfüllungen in Fassstärke kann ich mich getrost einen ganzen Abend beschäftigen und habe wahrscheinlich immer noch nicht alles entdeckt. Dies gilt im Übrigen für alle nachfolgend beschriebenen Whiskys.

Industriealkohol?

Bei dem zweiten Whisky des Abends wollen wir doch sicherlich noch einen draufsetzen, oder? Aber mit einem Single Grain Whisky? Früher hat man mir immer erzählt: „Trink keine Blended Whiskys. Da ist billiger Grain Whisky drin“. Und jetzt? Dieser Single Grain Whisky, abgefüllt von A.D. Rattray, stammt aus der Brennerei North British, reifte 25 Jahre in einem Sherry Butt und wurde mit 58,5% vol. abgefüllt.

North British, 25 Jahre, 58,5% vol., A.D. Rattray

Wenn der Name „North British“ fällt, kann man sich erstmal getrost von jeglicher Brennerei-Romantik verabschieden. North British gehört zu den größten Grain-Whisky Produzenten überhaupt. Gebrannt werden dort wöchentlich (!) ca. 1,25 Mio. Liter reiner Alkohol. Das macht ca. 65 Mio. Liter im Jahr! Dagegen wirkt das familiengeführte Unternehmen Glenfiddich mit seinem Produktionsvolumen von ca. 10 Mio. Litern im Jahr fast schon wie eine Mikro-Destillerie. Derartige Produktionsmengen schafft man natürlich nicht im traditionellen Pot-Still Verfahren, wo die Brennblasen nur jeweils in Batches befüllt werden (sog. diskontinuierliches Brennen). Gebrannt wird stattdessen kontinuierlich auf drei Coffey Stills. Benannt sind diese nach dem irischen Ingenieur Aeneas Coffey, welcher die ursprünglich von Robert Stein stammende Idee der Brennsäulen weiter perfektionierte. Dieses kontinuierliche Brennverfahren, in welchem also Maische ständig nachgefüllt und der Brennvorgang im Prinzip nie unterbrochen wird, ist auch unter dem Namen Patent-Still Verfahren bekannt.

Das sind ja gute Vorzeichen für unseren Single Grain, oder? Aber wer Marco Bonn kennt der weiß, dass hier selbstverständlich kein flacher Industriewhisky in die Verkostung kommt. Der North British, 25 Jahre von A.D. Rattray ist eine Wucht – überzeugt direkt mit einer wohlwollenden, kräftigen Süße in der Nase, ausgelassene Butter, vielleicht sogar Erdnussbutter, Keksteig, Gewürzkuchen – herrlich. Auch dieser Whisky kann durchaus ein paar Tropfen Wasser vertragen. Sodann nehme ich Aromen von weißer Schokolade, Honig, Kokosnuss wahr. Fast schon Aromen, wie ich sie vom Rum her kenne. Für mich wirklich die Überraschung des Abends und mit ca. 100 € im Übrigen heute auch der günstigste Vertreter.

Old School

Nach unserem Ausflug in die Welt der Single Grain Whiskys kommen wir nun wieder zurück zu einem richtigen Old School Single Malt, dem Glen Grant, 29 Jahre aus einem Refill Sherry Cask, abgefüllt mit 52,2% vol. von dem unabhängigen Abfüller Adelphi.

Glen Grant, 29 Jahre, 52,2% vol., Adelphi

Die Geschichte des Abfüllers Adelphi ist unmittelbar mit der gleichnamigen Brennerei verbunden, welche 1826 gegründet wurde, allerdings 1907 ihre Pforten schließen musste. 1968 erfolgte der Abriss. In der Nähe des alten Standorts entstand jedoch eine neue Destillerie unter dem Namen Ardnamurchan, die seit dem Jahr 2014 wieder produziert.

Der Glen Grant ist ein old school Whisky in Perfektion. In die Nase dringen direkt Aromen von Eiche, Anis und Tannennadeln, gefolgt von dunkleren, etwas schmutzigeren Noten: Du betrittst einen alten, leicht muffigen Keller, altes Leder, staubige Buchrücken und in einer Ecke noch ein alter Öllappen. Da Marco nach diesem Whisky eine kleine Pause einläutet, lasse ich ihm noch etwas mehr Zeit und Luft im Glas. Die Veränderung ist bemerkenswert. Jetzt kommt mehr Fruchtigkeit durch, getrocknete Früchte wie Sultaninen oder Backpflaumen und dann deutliche Röstaromen, wie ich sie selten in einem Whisky hatte: Dunkler, verbrannter Toast und verbrannte Maronen.

Spukt es bei Glenrothes?

Fahren wir fort mit einem Glenrothes, 20 Jahre aus einem Bourbon Cask, abgefüllt mit 49,1% vol. von dem unabhängigen deutschen Abfüller Jack Wiebers Whisky World. Lars-Göran Wiebers, deutscher Whiskyimporteur, bringt seit 1999 eigene Whisky-Serien auf den Markt, wie etwa „Scottish Castle“, „Cross Hill“ oder „Gentle Noses“. Der Glenrothes stammt aus der „Old Train Line“, wurde 1996 gebrannt und 2016 abgefüllt.

Glenrothes, 20 Jahre, 49,1% vol. Jack Wiebers

Die Brennerei Glenrothes hat eine turbulente Geschichte hinter sich. Gegründet 1897 wurde sie 1903 durch eine Explosion schwer beschädigt und musste neu aufgebaut werden. 1922 traf es die Destillerie dann erneut, als in einem der Lagerhäuser ein Feuer ausbrach. Rund 2.500 Fässer gingen dabei in Flammen auf und brennender Whisky floss in den „Burn of Rothes“. Ein erneut schwerer Schlag für die Brennerei, welche übrigens direkt neben einem Friedhof liegt. Angeblich soll es in der Destillerie sogar spuken…

Die Flasche fällt direkt durch ihr schönes nostalgisches Etikett auf. Diese 20jährige Abfüllung von Jack Wiebers passt einfach zur Jahreszeit: Warme Butter, gebräunter Toast, Malz, Vanille, Orangen, Zitrusfrüchte. Sehr cremig mit einem langen kräftigen Nachklang. Leider ruft Jack Wiebers für solche Abfüllungen auch immer ordentliche Preise auf (ca. 165 €).

 Zwei Schwestern

Auf den Glenrothes folgt der Clynelish, 20 Jahre aus einem Refill Sherry Butt, abgefüllt mit 52,4% vol. und erschienen in der Cask Strength Collection von Signatory Vintage.

Clynelish, 20 Jahre, 52,4% vol., Signatory Vintage

Die Brennerei Clynelish liegt direkt neben der (noch) stillgelegten Destillerie Brora. Die Geschichte von Clynelish lässt sich auch nicht ohne die von Brora erzählen. 1819 gründete George Granville Levison-Gower die Clynelish Destillerie. Allerdings wurde sie später durch einen Neubau auf dem gleichen Gelände erweitert. Ein Jahr später wurde die ältere Brennerei jedoch geschlossen und die Produktion ging nur noch in der jüngeren weiter. 1969 nahm dann auch die ältere Destillerie ihren Betrieb wieder auf. Ab sofort gab es also zwei „Clynelishs“. Die ältere Destillerie wurde daher in Bora umbenannt, produzierte aber nur noch bis 1983. Allerdings verkündete der Spirituosenkonzern Diageo in diesem Jahr, die Brennerei wieder eröffnen zu wollen. Ob der Stil der früheren Tage noch einmal erreicht wird, ist fraglich. Wer diesen noch erleben möchte, der muss heute für Original Brora Abfüllungen schon tief in die Tasche greifen. Oder man greift eben zu einem ebenso guten wie bezahlbaren älteren Whisky aus der Schwesterbrennerei, wie dem 20jährigen Clynelish von Signatory. Hat doch Charme, oder?

Dieser Whisky ist eine Offenbarung. Bei Clynelish habe ich oftmals so einen leicht wachsigen Brennereicharakter in der Nase. Diesen glaube ich auch hier wiederzufinden: Ein wenig Kerzen- oder Bienenwachs, sehr nussig, eingelegte Rosine und vor allem dunkle, saftige Brombeeren und andere Waldfrüchte. Sehr komplex, vollmundig. Mein Favorit an diesem Abend!

Der „Tofu des Whisky“

Apropos Favoriten. Zu meinen Favoriten gehörten die Whiskys der Brennerei Isle of Jura bislang nicht unbedingt. Irgendwie tauchen die nicht auf meinem Radar auf, was nicht gegen deren Qualität sprechen muss. Anderen scheint es ähnlich zu gehen. Herzhaft gelacht habe ich jedenfalls, als Gastgeber Marco Bonn davon spricht, dass Jura für ihn der „Tofu des Whisky“ ist. Allerdings war in einigen Foren von einer Abfüllung zu lesen, die zu den großen Überraschungen in diesem Jahr zählte, der Isle of Jura, 27 Jahre, Bourbon Barrels, abgefüllt mit 56,7% vol. aus der Cask Strength Collection von Signatory Vintage. Das machte mich schon neugierig. Von daher freute es mich sehr, dass dieser es in das heutige Line-up geschafft hatte.

Isle of Jura, 27 Jahre, 56,7% vol., Signatory Vintage

„Heavily Peated“ steht auf der Flasche. Nun ja, Rauch ist nicht wahrzunehmen. Vielleicht hatte er in jungen Jahren einmal Raucharomen, diese sind aber nach 27 Jahren Reifung weitgehend abgebaut. Stattdessen drängen sich Noten von Getreide, Keks, Vanille, Salzkaramell, Honig und hellere Fruchtnoten wie Birne und Pfirsich in die Nase. Überraschend frisch für einen Tropfen dieses Alters. So einen richtig maritimen Charakter, wie man ihn von einem Insel-Whisky erwarten würde, hat er nicht. Stattdessen sehr weich und gefällig.

Die Zugabe: Longmorn, 25 Jahre

Wie bei jedem Tasting im Brühler Whiskyhaus gibt es, sofern denn alle Teilnehmer brav waren, noch eine Zugabe. In diesem Fall eine weitere Abfüllung aus dem Hause Adelphi, nämlich einen Longmorn, 25 Jahre, 57,2% vol. aus dem Bourbon Cask.

Ein sehr gelungener Abschluss: Feine Zitrusnoten, Mirabelle, Pfirsich, Vanille, Karamell, ein wenig Eiche und meiner Meinung nach auch etwas Kerzenwachs.

Ein insgesamt wieder vielschichtiges Line-up bei einem Abend, an dem man sich einfach nur wohlfühlen konnte. Bei allen Abfüllungen fiel mir auf, dass trotz des Alters keine zu eichenlastig war, keine aufdringliche Bitterkeit im Nachklang, keine Tannine. Vielmehr eher subtile Eichennoten die den Geschmack ergänzten.

Besonderer Dank gilt wieder einmal Marco Bonn für diesen genussvollen und kurzweiligen Abend. Ich weiß, dass Marco an diesem Tag besonders viel Stress hatte. Umso mehr Anerkennung und Respekt verdient es, dass er es dennoch schafft, den „Schalter umzulegen“, um alles für seine Gäste zu geben!

Tasting-Termine sowie die Abfüllungen aus diesem Tasting und andere Köstlichkeiten gibt es beim Brühler Whiskyhaus.

Bedanken möchte ich mich auch bei Martin Arens, der an diesem Abend mal schnell die Etiketten der Flaschen abfotografiert und mir und meinen Lesern zur Verfügung gestellt hat. Immer wieder schön, Mitglieder aus der Whisky.de Facebook-Gruppe persönlich zu treffen.

Björn Bachirt

 

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