Welcome to the dungeon

Meine erste Einzelfassabfüllung die ich probierte war ein Fettercairn des unabhängigen Abfüllers „Best Dram“. Von der schottischen Brennerei Fettercairn hatte ich bis dahin nur wenig gehört. Noch weniger sagte mir der Name „Best Dram“ damals etwas, also fing ich an zu recherchieren und war überrascht, dass es sich hier um einen deutschen Abfüller handelt. Also nahm ich Kontakt zu Mitbegründer Michel Reick auf, den ich gerade auf einem seiner vielen Termine in Schottland erwischte. Michel lud mich in den „Whisky Dungeon“ nach Münster ein. Die Reise war jeden gefahrenen Kilometer wert…

Entering the Dungeon

Am Verspoel in Münster findet sich eine wahre Institution in Sachen Whisky, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Der Whisky Dungeon ist Rock-Kneipe und Whisky-Bar zugleich. Michel Reick und seine Frau Sandra begrüßen ihre Gäste dort in ungezwungener Atmosphäre. Dunkles Holz, E-Gitarren an den Decken, AC/DC-Flipper (for those about to rock, we salute you!) und Dartautomat schmücken den Raum. Ins Auge fällt mir jedoch direkt ein schwarzes Gitter und dahinter – ein begehbarer Whiskyschrank (siehe Titelbild)! Träume werden war…

Ca. 500 verschiedene Whiskys können hier verkostet werden – bei laufenden Barbetrieb versteht sich. Wenn Michel vor Ort ist, dann berät er seine Gäste natürlich selbst. „Wegen der Vielzahl der Termine kümmert sich zumeist meine Frau Sandra um den Laden. Natürlich betreue ich unsere Gäste am liebsten persönlich. Unser Publikum schätzt die große Auswahl verschiedenster Whiskys und eine kompetente Beratung. Du kannst hier an der Bar oder im Gastraum deinen Drink zu Dir nehmen, Musik hören und zwischendurch am Whiskyschrank einen Whisky verkosten. Zu dieser Jahreszeit ist die Kneipe aber immer voll und dann werde ich vor allem an der Bar gebraucht.“ 

Begehbarer Whiskyschrank im Whisky Dungeon

Angefangen haben Michel und Sandra in Lüdinghausen mit ihrer Bar „Castle of Rock“ bevor es sie nach Münster verschlug wo sie, nur ein paar Häuser von der aktuellen Location entfernt, ihr „Rock Café“ eröffneten. Dies war quasi die Geburtsstunde für den heutigen Whisky Dungeon, denn das Sortiment wurde schnell um eine ganze Reihe von Single Malts erweitert. „Das waren nachher so an die 100 Sorten. Der Laden wurde uns allmählich zu klein. Als die Immobilie dann verkauft wurde, wechselten wir an unseren heutigen Standort.“ Dort bieten die beiden neben dem laufenden Barbetrieb und dem Verkauf von Whisky auch Tastings an und veranstalten einmal im Monat den „Whisky Monday“, bei dem Gleichgesinnte sich austauschen und miteinander philosophieren können. Daneben betreiben beide einen großen Online-Shop sowie eine Online-Bar, in welcher der Kunde sich Samples einzelner Whiskys in verschiedener Größe abfüllen und zuschicken lassen kann.

Ca. 500 verschiedene Whiskys warten auf ihre Verkostung

Besonders schottische Single Malts haben es Michel angetan: „Für mich setzen die Schotten immer noch die Benchmark in Sachen Whisky, egal was in den letzten Jahren so auf den Markt kam. Ausgesprochen gut gelungen sind auch die Whiskys der taiwanesischen Marke KAVALAN. Ich denke, davon werden wir auch in den nächsten Jahren noch einiges hören. Gerne verkaufe ich auch Whiskys aus der Schweiz – vornehmlich der Marke Säntis. Dort wird ebenfalls ein vortrefflicher Whisky produziert.“

Selbstverständlich finden sich in den Regalen des Whisky Dungeon auch sämtliche erhältlichen Abfüllungen der Marken „Best Dram“ und „Scotch Universe“, denn Michel ist, wie eingangs erwähnt, nicht nur Besitzer einer Rock-Bar und Online-Händler, sondern vor allem auch Abfüller eigener Whiskys.

Fettercairn 10 Jahre, Blair Athol 26 Jahre, Andromeda III 7 Jahre

Best Dram

Wenn Whiskygenießer mit Leidenschaft und Erfahrung zusammenkommen, ihr Know-how miteinander teilen und sich dazu entscheiden ein gemeinsames Label zu gründen, dann kann eigentlich nur Gutes dabei herauskommen. Michel Reick füllte bereits Whisky in Kleinstabfüllungen unter dem Namen „Monasteria“ ab. Mike Müller, damals Besitzer der Brick House Saxo Bar in Remscheid, setzte ebenfalls seine Ideen in seinen Saxo Bar Editionen um. Bei einem gemeinsamen Besuch auf dem Münsteraner Weihnachtsmarkt entstand dann die Idee zu „Best Dram“.

Mittlerweile verfügen beide über ein umfassendes Netzwerk zu schottischen Brennereien, lagern ihren Whisky in eigenen schottischen Warehouses, teilweise sogar mit eigener Abfüllstraße. „Nach Deutschland holen können wir die Fässer nicht. Dann dürften wir nicht mehr Scotch Whisky auf die Flaschen schreiben. Deshalb haben wir mit der Zeit eigene Fasslager in Schottland angelegt und betreiben ein eigenes Fassmanagement.“, erzählt Michel. Das schließt dann auch mit ein, dass Michel neben seinen geplanten Terminen auch  schon mal kurzfristig nach Schottland reist: „Zuletzt war es mal wieder soweit. Ich kam von einem Schottlandaufenthalt zurück bei dem ich entschieden hatte, dass ein bestimmtes Fass nun abgefüllt werden soll. Dann sitze ich zu Hause und denke, sollst Du den Whisky tatsächlich schon abfüllen lassen oder lässt du ihn lieber noch ein Jahr liegen? Meine Frau merkt, dass ich unruhig bin und sagt: „Dann flieg nochmal rüber“. Das Ticket hatte ich natürlich schon gebucht und bin wieder zurück nach Schottland, um die Abfüllung dann letztlich zu stoppen.“ 

Wenn es der Reifegrad zulässt, werden bei Best Dram durchaus auch vergleichbar jüngere Whiskys abgefüllt, wie etwa ein Aultmore 7 Jahre, Inchgower 8 Jahre, Ardmore 8 Jahre oder ein Ledaig, ebenfalls mit 8 Jahren. Das Sortiment wird stetig ergänzt und erweitert. „Wir achten natürlich bei neuen Abfüllungen darauf, was uns im Sortiment noch fehlt.“, erklärt Michel. Mittlerweile sind auch ein Tennessee Bourbon Whisky mit immerhin 14 Jahren Alter, genannt „Trail of Tears“, erhältlich, oder auch Blended Malts, wie etwa aus der „Dark Secret“ Reihe. Ergänzt wird die Bandbreite an Abfüllungen durch Raritäten wie den Cambus mit 24 Jahren oder ein Inchgower 35 Jahre  – übrigens, gemessen am Alter, noch zu durchaus fairen Preisen.

Allen Abfüllungen ist gemein, dass sie absolut naturbelassen sind, also nicht gefärbt und nicht kühlgefiltert. Man muss es leider immer noch dazusagen, solange das Färben mit Zuckercouleur (Farbstoff E 150 a) und die Kältefiltration bei vielen Herstellern zum Produktionsprozess dazu gehören.

Michel verschwindet plötzlich hinter der Bar und kommt mit einer Flasche Blair Athol wieder, 26 Jahre alt. Es ist noch genug für eine Verkostung übrig und so nehme ich Freude strahlend dieses Geschenk entgegen. Dieser Single Malt reifte in einem ehemaligen Weinfass, wahrscheinlich Bordeaux. Destilliert 1988 haben Michel und Mike ihn im Jahr 2015 dann abfüllen lassen. Ein erstaunliches Alter. Man mag sich einmal vergegenwärtigen, was in seinem eigenen Leben oder generell auf der Welt seit 1988 so alles passiert ist. Während der ganzen Zeit reifte dieser Whisky seelenruhig in einem Eichenholzfass… Trotz dieser langen Lagerung konnte er mit satten 57,8% vol. abgefüllt werden; präsentiert sich also, wie von Best Dram gewohnt, in Fassstärke und vollkommen naturbelassen.

Die schottische Highland Destillerie Blair Athol produziert seit 1798 Whisky. Der größte Teil der Produktion wird für die Blended Whisky Industrie verwendet und nur ein kleiner Teil gelangt unter dem Namen der Brennerei in die Flasche. Dieser 26 Jahre alte Single Malt hatte es auf jeden Fall verdient als einzelnes Fass abgefüllt zu werden. Die erste Nase ist schon sehr voluminös – dunkler, alter, muffiger Keller und feuchte Bücher – dazu dunkle Früchte wie eingelegte Rosinen und getrocknete Feigen. Die 57,8% vol. Alkohol sind perfekt eingebunden. Dass Weinfass hat nach der langen Lagerzeit natürlich das Kommando übernommen und dominiert auch im Geschmack. Ein wenig Säure, Süße, Eiche, poliertes Holz und dunkle Früchten münden in einem langen, trockener werdenden Abgang.

Als Kontrast hierzu habe ich den Fettercairn 10 Jahre noch einmal probiert, gereift in einem First Fill Bourbon Barrel, gebrannt 2006 und abgefüllt 2016 – Einzelfass, in Fassstärke mit 54,9% vol. und ebenfalls naturbelassen zeigt sich hier im Vergleich zum Blair Athol einmal mehr, wie vielschichtig und unterschiedlich Whisky ausfallen kann.

Auch die Whiskys aus dem Hause Fettercairn landen überwiegend in der Blended Industrie. Derzeit ist nur eine Hausabfüllung erhältlich, der Fettercairn Fior. Die interessanteren Abfüllungen finden sich auch in diesem Fall bei den unabhängigen Abfüllern.

Das First Fill Bourbon Barrel hat dem Whisky eine betörend aromatische Vanillenote verpasst. Lässt man ihm etwas Zeit an der Luft, entfalten sich zunehmend hellere fruchtigere Aromen hin zu einem exotischen Fruchtcocktail aus Ananas, Passionsfrucht, Kokos, Mango gepaart mit ein wenig Mandel.

Fettercairn 10 Jahre, 1st Fill Bourbon Barrel

Mit diesen Eindrücken wollen wir die Abfüllungen von Best Dram erst einmal verlassen und widmen uns einer anderen Marke zu.

A galaxy of outstanding whiskies

„A galaxy of outstanding whiskies“ so lautet das Motto von Scotch Universe. Neben Best Dram hat Michel gemeinsam mit Alexander Springensguth im Jahre 2016 eine weitere unabhängige Marke ins Leben gerufen, bei der alle Whiskys Namen von Sternen, Sternenbildern oder Planeten tragen, wie beispielsweise Andromeda, Alpha Centauri, Callisto, Pollux, Solar Flare, Keppler-186f. Dies ist u.a. dem Umstand geschuldet, dass viele unabhängige Abfüller nicht mehr die Namensrechte der Brennerei erhalten, aus denen der Whisky stammt. Scotch Universe geht damit aber auf eine sehr kreative Weise um, wie ich finde.

Schlichtes, modernes Design ziert das Label; die Flaschen sind ein Blickfang in jedem Regal. Auch bei Scotch Universe wird darauf geachtet, dass alle Regionen Schottlands im Sortiment vertreten sind. Die Auswahl der Fässer ist vielseitig. Neben Ex-Bourbon und ehemaligen Sherryfässern, kommen zunehmend Weinfässer für die Reifung zum Einsatz, welche Michel aus Portugal, Spanien oder Frankreich nach Schottland transportieren lässt, um sie dort befüllen und einlagern zu lassen. Beispielhaft seien nur genannt: Marsala, Port, Rioja, Côte de Beaune etc.

Scotch Universe

Wir verkosten die neueste Abfüllung des Andromeda III, gereift in einem Monbazillac Wine Barrique Fass mit 59,3% vol., also in Fassstärke. Aus der römischen Ziffer „III“ entnehmen wir, dass es sich hier um die dritte Abfüllung handelt. Der erste „Andromeda“ reifte acht Jahre in einem ehemaligen Laphroig Barrel, die zweite Abfüllung sieben Jahre in einem First Fill Chateaux Lascomes Barrique-Fass.

Andromeda III, First Fill Monbazillac Wine Barrique, 59,3% vol.

Nähere Angaben zum Andromeda III können wir den Koordinaten auf dem Etikett entnehmen, welche es aber zu entschlüsseln gilt: 87° LP.14.1′ 1898.1. Keine Angst, ein kleiner „Beipackzettel“ gibt Hilfestellung und wir können wie folgt dechiffrieren:

  • 87° steht für die Anzahl der Monate, welche der Whisky reifte;
  • LP steht für „Lightly Peated“, also leicht rauchig (daneben existieren die Kennzeichen „U“ für unpeated, „P“ für peated und „HP“ für heavily peated;
  • Bei der Kennziffer 14.1 handelt es sich um eine individuelle Bezeichnung des Fasses, also in unserem Fall einem Monbazillac Wein Barrique-Fass (dieser Fasstyp hat die interne Kennziffer 14 erhalten), die kleine Ziffer „1“ bedeutet, dass es sich um ein First-Fill-Fass handelt;
  •  Am Ende dann aber doch noch ein kleines Rätsel: 1898.1 – hierbei handelt es sich um das Jahr in welchem die Brennerei gegründet wurde, aus welcher der Whisky stammt. Die „1“ steht für die Region – in diesem Fall handelt es sich um die „Highlands“. Wir suchen also eine Highland-Brennerei, welche 1898 gegründet wurde…

Aber nun zum Inhalt: Der Duft verströmt direkt eine herrlich aromatische Rauchnote. Nicht so kratzbürstig und phenolisch, wie wir sie von den Islay-Whiskys her kennen, sondern weich, dezent und perfekt eingebunden (glimmende Holzscheite, ein wenig Asche) lässt sie Raum für andere Aromen die mit der Zeit zum Vorschein kommen. Üblicherweise lässt man einem Whisky in Fassstärke etwas Luft zum atmen damit er sich öffnet. Dann entfaltet sich eine Fruchtigkeit von Feigen, Rosinen, dazu geröstetes Malz mit Zuckerwatte. Die 59,3% vol. sind kaum spürbar und ebenfalls sehr schön eingebunden. Der Antritt am Gaumen ist kräftig prickelnd, aber zugleich süß und vollmundig, leichter Rauch und eine Fruchtigkeit von hellen Weintrauben. Man kann ihn verdünnen, um nicht direkt alle Geschmacksknospen zu betäuben (ja, wir erinnern uns wieder daran, dass Alkohol nun einmal ein Nervengift ist, aber eben auch ein Aromaträger), muss es aber nicht. Der Nachklang ist lang, wärmend aber deutlich trockener werdend.

„Age is a number, maturation is character“

– Hans Offringa

Diese Abfüllung zeigt einmal mehr, dass hervorragende Fässer auch jüngeren Whiskys zu einer erstaunlichen Reife verhelfen. Wieder beweist mit Scotch Universe ein unabhängiger Abfüller, dass ein 7 Jahre alter Whisky vielschichtige Aromen und Tiefe aufweisen kann.

Wir können auch in Zukunft spannende Abfüllungen erwarten. So erzählt mir Michel zum Abschluss noch, dass er mittlerweile exklusiver Importeur in Deutschland für „Thistly Cross Cider“ ist, welchen er auch in seiner Bar ausschenkt. Und natürlich denkt er schon über einen Whisky nach, welcher in einem ehemaligen Cider-Fass reifte…

Weitere Infos gibt es direkt bei Best Dram, Scotch Universe, oder Ihr schaut einfach mal im Whisky Dungeon in Münster vorbei.

Björn Bachirt

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