Raritäten-Tasting mit Maggie Miller

Den Nikolausabend mit einem Raritäten-Tasting des Scotch Single Malt Circle zu begehen – ein vortrefflicher Rahmen, dachte sich wohl auch Dirk Schlüter (Schlüters Genießertreff) und lud mit Maggie Miller zu einer kleinen Rundreise durch Schottland ein.

„Wie bekomme ich Maggie Miller nur dazu, ein Tasting bei uns durchzuführen?“ Der Gedanke daran trieb Dirk Schlüter schon eine ganze Weile um, schließlich handelt es sich bei ihr, bei aller Bescheidenheit die sie selbst ihrer eigenen Person gegenüber an den Tag legt, doch wohl um die „Grand Dame“ der deutschen Whisky Szene. Mit ihrem The Scotch Single Malt Circle bereichert sie zusammen mit Ehemann Bill nun schon seit den 80er Jahren die Whiskykultur und gilt als einer der ersten hier ansässigen, unabhängigen Abfüller. Aber dazu später mehr. Dirk hat jedenfalls nicht aufgegeben und konnte Maggie für die Idee gewinnen, exklusiv für den Genießertreff in Wülfrath noch einmal ihren Schrank zu öffnen und ein paar wirkliche Schmuckstücke hervorzuholen, mit Sachkunde, vielen Geschichten und Anekdoten unterhaltsam moderiert von Kathrin Baltruschat, die neben Maggie charmant durch den Abend führte. Das Ganze begleitet mit einem 3-Gänge-Menü, kreiert und zubereitet von Stefan Schwarzer (Schwarzer Rabe Delikatessen).

Und wenn es Maggie auch vielleicht insgeheim nicht ganz leicht gefallen sein mag, sich von den, zum Teil letzten im Bestand befindlichen Flaschen zu trennen, so bot sich doch, wie sie sagt, die Gelegenheit, einigen Whiskyliebhabern eine Freude zu machen und zugleich selbst noch einmal zu probieren, was da vor Jahren in die Flasche kam.

Raritäten-Tastings haben für mich persönlich zwei Vorzüge: (1.) Es sind in den doch allermeisten Fällen wirklich herausragende und außergewöhnliche Whiskys, die noch einmal verkostet werden dürfen und die in der Regel nicht mehr erhältlich sind (Auktionen, private Verkäufe einmal ausgenommen). Das führt mich dann (2.) direkt dazu, dass ich gar nicht erst in Versuchung komme, nach dem Tasting auch eine Flasche erwerben zu wollen (Ja, es gibt Ausnahmen. Nicht wahr, Laddie DNA 4th Edition? Du hattest es mir angetan. Danke, Dirk!).

Was den zweiten Punkt anbelangt, hatte Maggie allerdings das Line-up geändert. Denn den Abend leiteten zwei (natürlich erhältliche) Neuerscheinungen ein, die 2019 abgefüllt wurden, aber nicht weniger exklusiv sich wunderbar einfügten.

Neues aus der Baumwollfabrik

Wer die typischen Pagoden-Dächer einer traditionellen schottischen Whiskybrennerei liebt, der wird wahrscheinlich bei dem Anblick des Gebäudes der Brennerei Deanston enttäuscht sein. Dort, am Fluss Teith gelegen, wurde die Destillerie 1966 in einer ausgedienten Baumwollfabrik untergebracht. Die Produktion musste sich deshalb in die vorhandene Architektur einfügen. Noch heute wird dort Wert auf Handarbeit gelegt, wie Billy Sinclair bei einer Vorstellung der Brennerei berichtete (hier geht zum Bericht aus der Deanston & Bain’s Roadshow). Maggie ist es nun gelungen, einen wahrlich vortrefflichen, 25jährigen Single Cask abzufüllen, der zugleich den Abend eröffnet.

Weil es zu diesem 1994er Vintage aus einem Bourbon Hogshead noch keine Tasting-Notes gab, luden Maggie und Kathrin die Teilnehmer ein, ihre Eindrücke zu schildern, die sodann von Maggie eifrig mitgeschrieben wurden. Marzipan, Apfel, Orange, Vanille, Zimt, Kardamom, leicht nussig, floral mit Kräutern und dezenter Eiche, so fiel mein erster Eindruck aus. Vielschichtig und komplex, dazu am Gaumen mit cremiger Textur und angenehmer Süße, begleitet von Karamell und Milchschokolade, Fudge, eingekochten Äpfeln und Marzipan. Auf Empfehlung von Kathrin stelle ich den letzten Schluck dieses Malts nochmal zur Seite. Wir kommen später darauf zurück…

Braes oder Braeval

Reisen wir weiter nach Chapeltown of Glenlivet, Banffshire, zur Breaval Brennerei. Es handelt sich um die nach wie vor höchst gelegene Destillerie in Schottland (ja, man streitet sich gerne mit Dalwhinnie um den Titel…). Seit 2008 wird dort wieder produziert. Maggie hat noch eines der Fässer aus den älteren Lagerbeständen ergattert, die damals noch unter dem Namen Braes of Glenlivet vermarktet wurden (selbst namhafte Brennereien wie Macallan schmückten sich einst mit dem Markennamen Glenlivet). 1989 destilliert und im Oktober 2019 abgefüllt, kommt dieser Braes auf ein stolzes Alter von 30 Jahren. 185 Flaschen ergab dieses Bourbon Hogshead. Zitrusaromen von Grapefruit und Orangenzeste bestimmen zunächst die Nase, gefolgt von Bittermandel, Honig, Fudge, einem Hauch Butterscotch und Zimt. Weich und geschmeidig legt er sich auf die Zunge, Zimt, Honig, Nelke, filigran und lang anhaltend im Finish. Ein ebenfalls vortreffliches Fass.

Ab in den Süden

Reisen wir mit Maggie und Kathrin von der Speyside in die Lowlands, und zwar zur südlichsten Brennerei Schottlands, wenn sie nicht gerade stillgelegt ist, denn Bladnoch weist seit der Gründung im 19. Jahrhundert eine recht turbulente Geschichte aus Besitzerwechseln und Stilllegungen auf. Aktuell sieht es allerdings so aus, als geleite die Brennerei in ruhige Fahrwasser. Am heutigen Abend präsentierten Maggie und Kathrin den Gästen einen im November 1987 (in der United Distillers Ära) destillierten und im Juni 1999 abgefüllten Vintage mit stattlichen 58,8 %. vol., die allerdings so harmonisch eingebunden sind, dass sie in der Nase nicht stören. Dunkles poliertes Eichenholz ist mein erster Eindruck, der allerdings schnell verfliegt und abgelöst wird von frischeren Zitrusnoten, grasig, dazu blumig, kräutrig, mit einer Note von frischem Brot, Vanille und Toffee.

Apropos Toffee. Kehren wir doch noch einmal zu unserem Deanston zurück. Was nach einer Weile da nun aus dem Glas strömt ist der Duft von warmen Karamell in reinster Form. Erstaunlich, wie ein wenig mehr Zeit diesen Whisky noch einmal verändert hat.

Zeit für eine Pause und die kulinarische Begleitung mit einem Pilzrisotto, gefolgt von einem Chili Con Carne mit Whisky sowie als Nachtisch ein schottisches Cranachan (Sahne, Himbeeren, Haferflocken, Honig, Whisky). Stefan Schwarzer hatte bei der Zubereitung der Speisen verstanden, diesen eine schöne Balance zu geben, was vor allem von einem feinen Händchen bei dem Einsatz der Gewürze zeugt, denn für ein Tasting sind stark gewürzte Speisen eher ungeeignet.

Schottisches Cranachan von Stefan Schwarzer

Wir kannten nur Johnny Walker

In der Pause nutzte ich die Gelegenheit, Maggie zu fragen, wie es denn nun angefangen hat mit ihrem Scotch Single Malt Circle.

„Wir kannten in unserem Dorf damals nur Johnny Walker. Berührung mit Single Malt Whiskys hatten wir keine. Bei einem Aufenthalt in Edinburgh lernten mein Mann und ich die Scottish Malt Whisky Society kennen. Einer unserer Bekannten war dort Shareholder und stellte uns eine Reihe von Gläsern hin. Wir waren absolut fasziniert davon, wieviel unterschiedliche Aromen da aus dem Glas strömen. Ich sagte zu meinem Mann: „Das müssen wir nach Deutschland bringen.“ Geplant war zunächst einen Ableger der Society zu gründen. Daraus wurde dann allerdings nichts. Stattdessen gründeten wir unseren Circle und ließen erste eigene Fässer abfüllen. Das erste war ein Royal Brackla mit über 60 % vol. im April 1988″

(Maggie Miller, Dez‘ 2019)

Nach der Pause setzten wir unsere Reise fort. Nach den eher filigranen, leichten Malts zum Auftakt nun mit ein wenig kräftigeren Vertretern.

Die kleine Schwester von Brora

So wird sie oft genannt, die an der Ostküste Schottlands gelegene Brennerei. Gegründet 1967 in direkter Nachbarschaft zu der bereits seit 1819 bestehenden Brennerei in Brora, die allerdings ebenfalls anfangs den Namen Clynelish trug. Für eine kurze Zeit produzierten beide Destillerien unter den Namen Clynelish A und Clynelish B weiter, bevor die ältere Clynelisch B Brennerei dann in Brora umbenannt wurde. Seit 1983 ist Brora allerdings wieder geschlossen und Abfüllungen aus dieser Brennerei kaum erschwinglich. Dann vielleicht doch lieber zu kleineren Schwester greifen, die durchaus einiges zu bieten hat. Die 14jährige Standardabfüllung gefällt mir schon ganz gut, die wahren Schätze finden sich jedoch oft bei unabhängigen Abfüllern. So auch dieser 1983 destillierte und 2006 mit 53,1 % vol. abgefüllte Clynelish. Fett und ölig im Glas, mit der so typischen Wachsnote, Birne, Vanille, Pfeffer, Salz, Zitrone und Limonenöl. Auch am Gaumen leicht salzig, Bienenwachs, Zitrone, Limette, eine Spur Himbeere und einer dezenten Trockenheit im Nachklang.

Gebrüder Grant

Der geneigte Leser merkt es schon, bei diesem Line-up ein besonderes Highlight auszumachen ist nahezu unmöglich. Müsste ich eines benennen, dann diesen 1972er Glen Grant aus einem Refill Sherry Cask, welcher nun folgt, abgefüllt im Jahre 2010 mit 48,3% vol. Eine wunderbar dezente Sherry-Note getragen von Birne, Orange, Zitronenzeste, Eiche. Old school, wie ich es mag. Am Gaumen zunächst Orange pur, frisch gepresst, danach eher dunkle Früchte, ganz besonders Pflaume. Vollmundig mit fester Textur. Ein Malt wahrlich zum „durchkauen“.

Die Frage nach dem Fass

Reisen wir weiter nach Islay, zu einer meiner absoluten Lieblingsbrennereien – Bruichladdich. Unglaublich gute Whiskys, Produktion, Philosophie, Tradition mit Fortschritt und Nachhaltigkeit vereint. Das Gesamtbild stimmt einfach für mich. Dieser Laddie aus dem Jahre 1992, abgefüllt 2009 gibt allerdings Rätsel auf. Welche Fassreifung könnte es sein? Die dunkle Farbe und der erste Eindruck könnte auf Sherry schließen. Meine Tischnachbarn und ich sind allerdings schnell ab von dem Gedanken. Es deutet eher auf ein Rotweinfass hin, oder?. Maggie und Kathrin erfreuen sich an einem munteren Ratespiel. Die Auflösung: Er reifte fast ausschließlich in einem Bourbonfass. Maggie, die sich selbst eher als Purist beschreibt, fügte hier allerdings (ausnahmsweise) noch ein Finish hinzu. Seinerzeit sprach sie Jim McEwan darauf an, was er denn noch so „auf Lager habe“ und er empfahl eine Nachreifung in einem Chenin blanc Fass. Maggie berichtet dazu, sie habe ihm damals gesagt: „Wenn das nichts wird Jim, muss Du den abnehmen.“ Es ist was geworden! Dieser im Jahr 2009 mit 55,6 % vol. abgefüllte Laddie reifte zwar nur wenige Monate in dem Weißweinfass, dennoch erstaunlich, welch intensive Weinnoten dieses abgegeben hat, ohne den typischen Laddie Charakter zu verdrängen. Er braucht nur etwas Zeit sich zu entfalten.

Fehlt noch was?

Das Line-up ließ ja an sich keine Wünsche offen. Highlands, Speyside, Lowlands, Islay – alles besucht, erstklassige Malts. Eine vielschichtige Entdeckungsreise. Und doch – etwas Rauchiges hätte es noch sein dürfen. Zum Abschluss wurde auch dieser Wunsch mit dem Ausschank eines 2008er Caol Ila, abgefüllt im April 2019 befriedigt. Eine runde Sache!

Fazit

Was für ein Abend! Man möge mir verzeihen, wenn ich zuweilen sehr ins Schwärmen geraten bin. Ein Blog soll ja kritisch sein… Aber wer hier einen Haken suchen möchte, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Maggie hätte ihre zum Teil letzten Flaschen wohl auch gewinnbringend auf Auktionen anbieten können. Wahrscheinlich wären sie dann in irgendeiner Sammlung gelandet. Stattdessen hat sie heute 30 Whiskyliebhaber glücklich gemacht.

Toller Abend mit Maggie Miller und Dirk Schlüter

Vielen Dank an Maggie Miller, Kathrin Baltruschat, Stefan Schwarzer und natürlich Dirk Schlüter!

Disclaimer: Wie immer ist mir Transparenz besonders wichtig. An diesem Tasting habe ich auf Einladung von Schlüters Genießertreff teilnehmen dürfen. Auf den Inhalt des Beitrages hatte dies keinen Einfluss. Kosten für Anfahrt und Logis habe ich selbst getragen.

Björn Bachirt

Links

The Scotch Single Malt Circle

Schlüters Genießertreff

Schwarzer Rabe Delikatessen

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