Höhlenwhisky DeCavo

Warum ein Fasslager bauen, wenn die Natur Lagerflächen bereithält? In der Dechenhöhle am nördlichen Rand des Sauerlandes reift still und leise ein deutscher Single Malt Whisky. Wie dieser „Höhlenwhisky“ entsteht, habe ich mir bei einem Besuch der Märkischen Spezialitätenbrennerei einmal angeschaut.Die Brennerei ist in einer ehemaligen, liebevoll hergerichteten Schmiede untergebracht. Seit der Eröffnung im Jahr 2010 wird dort neben Obstbränden, Geisten und Likören auch Single Malt Whisky gebrannt.

Wer die große Schiebetür öffnet befindet sich direkt im Raum mit den kupfernen Brennkesseln, der zugleich als Tasting- und Verkaufsraum dient. Als ich die Brennerei betrete herrscht reger Betrieb. Mitarbeiter reinigen mit Hochdruck eine der drei Brennblasen, während in einer anderen gerade ein Rohbrand hergestellt wird. Mir strömt ein warmer malziger Duft entgegen, als ich mich hinsetze und das muntere Treiben beobachte. Aber natürlich möchte ich mehr über den Produktionsprozess und die Idee hinter dem DeCavo Single Malt erfahren. Deshalb habe ich mich mit Master Distiller Klaus Wurm verabredet, der mir einen exklusiven Einblick gewährt.

Brennblasen Märkische Spezialitätenbrennerei

The Mash

Gemeinsam betreten wir zunächst einen Nebenraum mit vier großen Edelstahltanks. Hier wird das Gerstenmalz für die Herstellung des DeCavo Single Malt Whisky mit 70 Grad warmen Brauwasser in einem Maischebottich angesetzt. Ein Teil des Gerstenmalzes besteht aus dunklem Röstmalz, welches vor allem Schokoladen- und Kaffeearomen hervorbringen soll.

Die Maische wird in drei Gärbehältern mit Hefe versetzt und gärt dort 72 Stunden. „Wir lassen der Hefe etwas länger Zeit als die Schotten, die mittlerweile überwiegend ihre Maische nur noch 55 Stunden gären lassen, um das Produktionsvolumen zu erhöhen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Aromen bei einem längeren und schonenderen Gärprozess besser entfalten“, erzählt Master Distiller Klaus Wurm. Schön zu hören, dass hier nicht die Produktionsmenge, sondern die Qualität des Produkts in den Vordergrund gestellt wird.

Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde die Maische noch bei einem örtlichen Bierbrauer angesetzt. Seit 2017 ist auch dieser Prozess nun vollends in die Produktion der Brennerei eingegliedert. Die im Rahmen der Herstellung erzeugte Whiskymaische wird sogar eigens abgefüllt und darf als „The Mash Whisky Stout“ verkostet werden – kräftig, malzig und süffig.

Moonshiner

Gebrannt wird sodann im Pot Still Verfahren auf zwei Brennblasen. Die Brennblasen werden jeweils in Chargen (Batches) mit Maische befüllt. In einem ersten Schritt entsteht der Rohbrand. Die Maische wird erhitzt, Dämpfe steigen auf und gelangen über ein Rohr in einen Kondensator. Master Distiller Klaus Wurm kontrolliert mittels Thermometer und einer Spindel von Hand den Alkoholgehalt. Warum das Thermometer? Der Alkoholgehalt wird bei Alkohol-Wasser-Mischungen als Volumenkonzentration reinen Alkohols bei 20 Grad Celsius angegeben. Mit Hilfe des Thermometers lässt sich die jeweils anliegende Temperatur bestimmen und dann umrechnen, wie hoch der aktuelle Alkoholgehalt ist. Dieser liegt am Ende des ersten Brennvorgangs bei etwa 25 – 30 %vol. Das Gemisch enthält aber noch Vorlauf- und Nachlaufkomponenten.

Zur Herstellung des Feinbrandes wird der Rohbrand ein eine zweite Brennblase umgefüllt und sodann erneut erhitzt. Die nun aufsteigenden Alkoholdämpfe gelangen in eine Kolonne, deren Ebenen jeweils durch eine Art „Teller“ voneinander getrennt sind. An der kühleren Kolonnenwand kondensieren die Dämpfe zu zwei Teilen. Zum einen in alkoholärmeres Kondensat, das zurückfließt (sog. Phlegma) und zum anderen in einen alkoholreicheren Dampf der nun weiter aufsteigt und die nächste Ebene erreicht. Die Alkohol-Wassermischung die sich auf dem „Tellerboden“ sammelt, bremst die nachfolgend aufsteigenden Dämpfe. Diese bringen die Flüssigkeit auf dem Tellerboden zum sieden. Dadurch steigen wiederum leichtsiedende Alkoholdämpfe auf. Ab einem bestimmten Flüssigkeitsstand läuft das Phlegma auf den jeweils darunter liegenden Tellerboden bzw. auf der untersten Ebene dann wieder in die Brennblase. Am oberen Ende der Kolonne ist ein Dephlegmator angebracht, an dem die noch verbleibenden Wasseranteile kondensieren. Letztlich handelt es sich bei dem zweiten Brennvorgang um eine Gegenstromdestillation, heißt also, ein zunehmend alkoholreicherer Dampfstrom steigt auf, während zunehmend wasserreicheres Phlegma zurückfließt. Bei diesem Brennvorgang trennt Master Distiller Klaus Wurm nun auch Vor- und Nachlaufkomponenten ab.

Der Feinbrand, auch „New Make“ genannt, hat am Ende des zweiten Brennvorgangs eine Alkoholkonzentration von etwa 68% vol. Ein Teil dieses New Make wird als „Moonshiner – White Single Malt“ auf 50% vol. verdünnt und abgefüllt. Eine schöne Idee, wie ich finde. Denn so lassen sich für den Whiskyliebhaber über den bereits erwähnten „The Mash Whisky Stout“ und den „Moonshiner“ die verschiedenen Reifezyklen des späteren Single Malts erleben und geschmacklich nachvollziehen. Dem klaren „Moonshiner“ New Make fehlt natürlich noch der Einfluss der Fasslagerung. Deshalb kommen hier die fruchtig malzigen Aromen besonders zum Ausdruck. Sehr samtig, fruchtig und saftig mit einem schönen Prickeln auf der Zunge.

Eine weitere Variante ist der schon nach zwölf Monaten Fasslagerung abgefüllte Single Malt, der sich freilich noch nicht Whisky nennen darf, dafür aber einen guten Eindruck hinterlässt, welchen Einfluss die Fasslagerung auf den New Make hat.

DeCavo Single Malt Whisky & Moonshiner White Single Malt

Dieser darf übrigens in First-Fill ex-Bourbonfässern oder Virgin Oak Fässern reifen. „Unser Röstmalz betont Aromen von Karamell, Kaffee und Schokolade. Dazu passt die Vanille der Bourbonfässer sehr gut“, erklärt Klaus Wurm. Für die Lagerung der Fässer bietet die Dechenhöhle im Sauerland ideale Bedingungen. „Es gibt in der Dechenhöhle keinerlei Temperaturschwankungen zwischen kalten Wintern und warmen Sommern. Dort herrscht ganzjährig eine Temperatur von konstant 10 Grad Ceslius bei einer Luftfeuchtigkeit von 100%. Der Angel’s Share fällt daher äußerst gering aus. Die Reifung erfolgt schonend, so dass sich die Aromen besser entwickeln können“.

Fasslagerung in der Dechenhöhle

DeCavo Single Malt Whisky

Nach genau drei Jahren und einem Tag wird der DeCavo abgefüllt. Wenn die Fässer von der etwa 20 Kilometer entfernten Dechenhöhle zur Brennrei transportiert werden, wird gerne Mal ein Ereignis daraus. Auf einem Pritschenwagen mit einem Zweispänner gezogen wird die kostbare Fracht ganz traditionell über Stock und Stein transportiert. „Natürlich wird die Lieferung durch meine Mannschaft bewacht, schließlich könnten uns ja gierige Räuber im Wald auflauern. Deshalb „bewaffnen“ sich die Jungs vorsorglich mit harten Geschossen (Hartwurst) und Brandbomben (hochprozentigem Moonshiner), um für die sechsstündige Fahrt bis zur Brennerei gerüstet zu sein.“, erzählt mir Klaus Wurm mit einem Augenzwinkern.

Befüllen eines Fasses in der Dechenhöhle

Wenn die Lieferung dann sicher ihr Ziel erreicht hat landet der Whisky fast ausschließlich als Einzelfassabfüllung, entweder in Fassstärke mit 59,7% vol., oder in Trinkstärke mit 47,3% in der Flasche; nicht gefärbt und nicht kältefiltiert.

Nun stellt sich natürlich die Frage, was drei Jahre Eichenfasslagerung in der Dechenhöhle aus dem klaren White Single Malt gemacht haben?

Der Brennereicharakter kommt in der Nase sehr gut zur Geltung. Sehr malzig und fruchtig ist der erste Eindruck, helle frische Früchte wie Birne, Pfirsich und Apfel nehme ich wahr, die sich nun mit dem Vanillearoma aus den amerikanischen Eichenfässern ergänzen. Dazu gesellt sich eine weiche Buttrigkeit, wie bei einem hellen Keksteig. Ein wenig Milchschokolade kommt nach einer Weile durch, gepaart mit einer angenehmen Würzigkeit, vielleicht Muskatnuss.

Dieser Eindruck setzt sich auch am Gaumen fort – fruchtig, saftig und malzig mit Vanille und Milchschokolade – auf der Zunge ein leichtes Prickeln. Jugendliche Kraft, aber ohne metallische Schärfe. Gut hinbekommen!

Man muss nicht immer den Vergleich zu den Schotten bemühen. Die Größe der dortigen Produktionsanlagen sowie die produzierten Mengen sind schlichtweg nicht vergleichbar. Wer sich zu einem Besuch in die Märkische Spezialitätenbrennerei aufmacht, wird wissen was ich meine. Hier entsteht ein für sich eigenständiges Produkt mit Charakter und eigener Handschrift.

Ich bin gespannt, was da in Zukunft noch zu erwarten ist. Abfüllungen mit längerer Fasslagerung sind derzeit nicht geplant. Allerdings gibt es Überlegungen, auch einmal über Buchenholzrauch getrocknetes Gerstenmalz oder Roggen für die Whiskyherstellung zu verwenden.

Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Master Distiller Klaus Wurm und seinem Team für den herzlichen Empfang und den kurzweiligen und lehrreichen Vormittag. Wer sich über Öffnungszeiten, Termine und Tastings informieren möchte, findet umfangreiche Infos auf der Homepage der Märkischen Spezialitätenbrennerei. Daneben betreibt die Destillerie einen Online-Shop, der zugleich eine gute Übersicht über die angebotene Produktvielfalt bietet. Und wer einmal einen Blick auf Fass Nr. 1 in der Kristallgrotte erhaschen möchte, der sollte einen Besuch der Dechenhöhle in Erwägung ziehen.

Übrigens haben die Kollegen von singlemaltwhiskey.org kürzlich erst ein sehr ausführliches und lesenswertes Interview mit Klaus Wurm geführt, auf welches ich an dieser Stelle gerne verweise.

Björn Bachirt

 

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