St. Kilian Distillers

Pünktlich zum Erscheinen des Spirit of St. Kilian Batch No. 4, welches den vielversprechenden Namen „The Peat Marriage“ trägt, habe ich der Brennerei einen Besuch abgestattet und mich dort mit Master Distiller und Produktionsleiter Mario Rudolf getroffen.

Rüdenau, eine kleine Gemeinde, malerisch gelegen zwischen Spessart und Odenwald. Das Navigationsgerät muss helfen, während die Straßen in der landschaftlich schönen Gegend immer enger werden. Als ich auf die Hauptstraße nach Rüdenau einbiege, taucht jedoch unvermittelt das weiße Gebäude mit der Tafel „St. Kilian Distillers“ und den beiden großen Getreidesilos davor auf. Untergebracht ist die Brennerei in einer ehemaligen Textilfabrik, in deren Architektur die gesamte Produktionsanlage eingegliedert werden musste. Das erinnert mich ein wenig an die schottische Brennerei Deanston, die in einer ehemaligen Baumwollfabrik sich ebenfalls den architektonischen Vorgaben anpasste.

Als das Gelände in Rüdenau zum Verkauf stand, rückte dieses zunächst in den Blickwinkel ausländischer Investoren, die dort einen Wertstoffhandel betreiben wollten. Das stieß bei den Rüdenauern allerdings auf wenig Gegenliebe. Eine Wertstoffanlage direkt am Ortseingang der mit so vielen schönen Fachwerkhäusern versehenen Gemeinde? Das kann ja nicht angehen! Also wandten sich die Einwohner an Andreas Thümmler, erfolgreicher Investbanker und Venture-Capitalist, der daraufhin das Gelände erwarb.

Nicht zu verfehlen: Die Fässer an der Hauptstraße nach Rüdenau weisen den Weg.

Andreas Thümmler seinerseits war begeisterter Whiskysammler. Schicksalshaft dürfte im Jahr 2011 die Begegnung mit David F. Hynes, Master Distiller der irischen Kilbeggan Brennerei, gewesen sein. Offenbar war Andreas Thümmler damals so begeistert von einem dort verkosteten Einzelfass, dass er drei Tage lang nicht locker ließ, bevor ihm David das Fass endlich verkaufte. Etwa ein Jahr später, als in Rüdenau nun die besagte Textilfabrik veräußert werden sollte, lud Andreas David ein, sich das Gelände doch einmal näher anzusehen. Bei Lagerfeuer und Whisky entstand die Idee zur Gründung der Destille. David F. Hynes (früher neben Jim Finn Managing Director der Cooley Brennerei sowie der Great Northern Whiskey Distillery) half nicht nur bei der Planung, sondern unterstützte das Team auch beim Anfahren der Anlage. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass das erste Destillat dort ausgerechnet am St. Patrick’s Day im Jahr 2016 floss.

Hauptgebäude St. Kilian mit den beiden Getreidesilos

Und wo wir gerade bei den Iren sind – der Name St. Kilian geht auf folgende Geschichte zurück, die sich angeblich so zugetragen hat: Im achten Jahrhundert n. Chr. zogen die irischen Mönche Kilian, Kolonat und Totnan im Auftrag des Papstes in Rom auf christliche Mission in das Frankenland nach Würzburg, um die Heiden dort zu bekehren. In ihrem Gepäck hatten sie angeblich auch das “Aqua Vitae”: Das Wasser des Lebens. Ob ihnen dies bei der Christianisierung geholfen hat? Wer weiß. Fest steht: Alle drei starben als Märtyrer in Würzburg, wo sie später heiliggesprochen und heute noch im ganzen Frankenland und darüber hinaus in großen Ehren gehalten werden.

Die Suche nach der richtigen Rezeptur

Als im Jahr 2016 der Startschuss fiel, gehörte Master Distiller und Produktionsleiter Mario Rudolf, mit dem ich heute verabredet bin, bereits zum Team. Mario ist gelernter Bierbrauer und Mälzer, kommt aus der Region, war aber lange Zeit in der Oberpfalz tätig.

Meine Großmutter hielt mich immer auf dem Laufenden, was in der Heimat so geschah. Dazu sammelte sie für mich Zeitungsausschnitte zum Tagesgeschehen. Aus einem erfuhr ich dann von dem Aufbau einer Whisky Brennerei nach schottischem Vorbild. Das fand ich absolut spannend, woraufhin ich mich auch bewarb. – Mario Rudolf, Juli 2018

Am Anfang stand die Suche nach der richtigen Rezeptur. Was für einen Whisky möchte man bekommen? Eher fruchtig, weich, oder doch kräftig mit mehr Getreide? Vielleicht sogar rauchig?

Wir haben unterschiedliche Rezepturen ausprobiert. Dazu verwendeten wir verschiedene Malzsorten, verschiedene Hefen, experimentierten mit der Fermentationsdauer oder mit verschiedenen Einstellungen bei der Destillation. Manche Rezepturen waren nicht so überzeugend, andere wiederum so überragend, dass wir sie beibehalten haben. Im Ergebnis haben wir verschiedene Destillate, leichte, schwere, ungetorfte und ja, auch getorfte. Wir lieben rauchigen Whisky und wollten in jedem Fall auch getorfte Destillate kreieren.“

Da stellt sich die Frage, ob denn eine getorfte Variante noch authentisch für deutschen Whisky ist. Andere Brennereien verzichten entweder ganz auf Rauch, oder verwenden beispielsweise Buchenholz bzw. lassen ihr Destillat in ehemaligen ausgedienten Islay-Fässern reifen.

Bei der Produktion setzen wir selbstverständlich auf Nachhaltigkeit und heimische Produkte. So stammt auch unsere ungetorfte Gerste aus heimischem Anbau. Wir wollen aber auch die Torf begeisterten Whiskyfans abholen und sind davon überzeugt, dass wir mit unserer Anlage einen wunderbar rauchigen Whisky kreieren können. Leider gibt es hierzulande keine Mälzerei, die uns getorftes Malz liefern kann. Wir beziehen dieses daher direkt aus Schottland von Glenesk Maltings, üblicherweise mit einem Phenolgehalt von 52 ppm, für Sonderabfüllungen sogar schon mal mit 92 ppm.

Das Experimentieren mit verschiedenen Hefen und Malzsorten, Fermentationszeiten sowie einem Fassbestand, der ca. 92 verschiedene Fassarten umfasst, erinnert mich an japanische Produktionsabläufe, bei denen Brennereien ebenfalls eine möglichst große Vielfalt an verschiedenen Destillaten im eigenen Haus erzeugen wollen.

Produktionsleiter Mario Rudolf vor der Mash Tun

Der Feinbrand darf auch gerne direkt probiert werden. Mario Rudolf ist es wichtig, einen „New Make“ herzustellen, der für sich bestehen kann und schmeckt. In Anlehnung an den Rüdenauer „Rüden“ verkauft St. Kilian diesen „New Make“ entweder als „White Dog“ mit 46% vol., oder mit 63,5% vol. sowie als getorften „Turf Dog“ mit 49,9% vol. Heute landet der „White Dog“ mit 63,5% im Nosing-Glas, also in der Stärke, mit welcher er auch in die Fässer befüllt wird. Und dieser ist, trotz des hohen Alkoholgehalts, wirklich bekömmlich. Viel Malz und Getreide und doch zugleich sehr fruchtig mit einer intensiven Mirabellen- und Birnen-Note. Der Alkohol ist in der Nase durchaus spürbar, jedoch ohne scharf zu wirken. Erstaunlich weich und mild sowohl beim Verriechen, als dann auch am Gaumen. Die Getreide- und hellen Fruchtnoten legen sich sanft auf die Zunge, während sich der Alkohol nur durch ein angenehmes Prickeln bemerkbar macht. Jung und wild, ja, aber für die Zähmung sind schließlich die Fässer zuständig…

Modern und dennoch traditionell

Nun wird es aber Zeit, sich die Anlage einmal näher anzusehen. Dabei fallen direkt die vier Washbacks ins Auge. Während die meisten Brennereien bei der Fermentation mittlerweile auf Stahltanks setzen, kommen bei St. Kilian vier Washbacks aus Oregon Pine Holz mit einem Fassungsvermögen von je 10.800 Litern zum Einsatz. Aber sind Stahltanks nicht aus hygienischen Gründen vorzuziehen, weil sie leichter zu reinigen sind?

Wir sind sehr stolz auf diese Anlage. Bei hölzernen Washbacks sieht man einfach, dass da noch etwas arbeitet. Die Reinigung mag aufwendiger sein, wir sind jedoch davon überzeugt, dass der Kontakt mit dem Holz, den dabei entstehenden Milchsäurebakterien, einen positiven Einfluss auf das spätere Ergebnis hat.

Washbacks mit 10.800 Litern Fassungsvermögen

Eine Etage höher kann der Besucher dann auch einen Blick in den Bottich werfen, wo die Hefe unermütlich ihre Arbeit leistet. Ein wenig Vorsicht ist geboten, denn bei der alkoholischen Gärung entsteht neben Ethanol auch Kohlenstoffdioxid.

Ein Blick in eine Washback: Die Hefe bei der Arbeit

Herzstück der Anlage bilden sicherlich die beiden kupfernden Pot Stills der Firma Forsythe aus Glasgow, die gleich zu Anfang geordert wurden, als Andreas Thümmler und David F. Hynes ihren „Deal“ am Lagerfeuer schlossen. David plante die Anlage so, dass sie gerade unter die Decke passte, denn wie schon erwähnt, musste diese sich an der Architektur des Gebäudes ausrichten und nicht umgekehrt. Bei den birnenförmigen, gedrungenen Pot Stills fällt vor allem der leicht nach oben führende Lyne Arm auf, der zu mehr Rückfluss führt. In der zweifachen Destillation werden zunächst in der Wash Still der Rohbrand auf 23% destilliert und anschließend in der Spirit Still der Feinbrand auf 69% vol. Abgefüllt wird sodann mit 63,5% vol. Die Anlage produziert derzeit 200.000 Liter reinen Alkohol im Jahr. Die Produktion könnte allerdings auf bis zu 800.000 Liter hochgefahren werden.

Das Herzstück der Anlage: Die Forsyths Stills

Sowohl Spirit Stil als auch der Spirit Safe sind in einem fast schon hermetisch abgeriegelten Raum eingeschlossen. Der deutsche Zoll lässt grüßen. Hier darf schließlich nichts verlorengehen, was der Staat nicht zuvor besteuert hat. Selbst das wöchentliche Abfüllen in Fässer wird kontrolliert. Immerhin gönnt der Zoll dem Hersteller einen Angel’s Share von 4% jährlich.

Wo wir gerade beim Angel’s Share sind: Wer die Fasslager bei St. Kilian betritt, der merkt direkt wie ein alkoholischer, aromatischer Duft die ganze Luft geschwängert hat. Ohnehin ist die Transparenz bei St. Kilian sehr zu begrüßen. Die gesamte Produktion darf besichtigt werden, einschließlich der Fasslager. Heute gibt es sogar eine Fassprobe eines in einem Sherryfass gereiften, stark rauchigen Destillats.

Bereits seit Beginn der Produktion macht St. Kilian mit der Möglichkeit von sich reden, dass Kunden dort eigene Fässer erwerben und reifen lassen können. Dabei haben sie die Möglichkeit, aus unterschiedlichen Destillaten und Fässern frei wählen zu können. Auch die Gemeinde Rüdenau hat sich schon ihr eigenes Fass gesichert.

Ein Fass für die Gemeinde Rüdenau

Spirit of St. Kilian

Apropos Fassreifung: St. Kilian wartet nicht erst, bis der erste dreijährige Whisky abgefüllt werden kann, sondern veröffentlicht regelmäßig unter dem Namen „Spirit of St. Kilian“ Destillate in kleinen Batches mit mehrmonatiger Reifung in verschiedenen Fassarten. Hinzu kommen, auf dem White Dog basierende, Likörmischungen.

Nachdem Batch 1 schnell vergriffen war, hatte ich noch Gelegenheit eine Flasche des zweiten Batches, gereift über 15 Monate in Virgin Oak Fässern aus amerikanischer Weißeiche, zu erwerben. Erstaunlich, welch satt goldene Farbei die Fässer dem Brand schon verliehen haben. Die fruchtigen Noten aus dem New Make fallen hier noch einmal deutlich intensiver aus. Diese Mirabellenfrucht ist wesentlich präsenter, nunmehr gesellt sich noch eine schöne Würze dazu, getragen von einem angenehmen Vanillearoma. Die Malz- und Getreidenote tritt demgegenüber nun etwas in den Hintergrund. Am Gaumen recht süß und würzig, mehr Frucht und Karamell münden in einem, der Reifezeit geschuldeten, eher kurzen Nachklang.

The Peat Marriage

In welche Richtung es in Sachen Torf gehen könnte, zeigt aktuell das eingangs erwähnte Batch 4 „The Peat Marriage“. Abgefüllt mit 45% vol. ist vor allem die Fasszusammensetzung durchaus interessant, denn sie vereint die hier bereits beschriebenen Säulen der Brennerei:

Der rauchige Turf Dog reifte in zwei unterschiedlichen Fassarten, nämlich zum einen in einem Virgin Oak Cask und zum anderen in vier kleinen ex-Bourbon Quarter Casks (55 Liter) aus amerikanischer Weißeiche der Garrison Brothers Distillery, Texas. Ebenfalls in das Batch eingeflossen ist der ungetorfte White Dog, der in zwei ex-Islay Fässern reifen durfte. Nach 16 bis 21 Monaten wurden diese einzelnen Fässer nun miteinander vermählt und abgefüllt.

Das Ergebnis ist ein rauchiger Malt mit deutlich maritimen Einschlag. Jod, Salz, Muschelschalen, Asche und dezenter Lagerfeuerrauch gehen eine Liaison mit Vanille, Honig und Zitrusnoten, Miarbelle, Apfel und Birne ein. Blind hätte ich auf einen jungen Islay-Malt aus dem Hause Laphroaig getippt. Der Antritt fällt prickelnd und würzig aus, wobei der Rauch den Gaumen belegt und für ein etwas längeres Finish sorgt, als beispielsweise bei Batch 2. Vanille und Honig liefern als Kontrast eine leichte Süße.

The Spirit of St. Kilian

Im nächsten Jahr ist es dann soweit: 2019 wird St. Kilian den ersten Single Malt abfüllen. Der sog. „First-Fill“ kann schon jetzt bestellt werden, richtet sich preislich jedoch eher an Sammler und Fans der Marke, die etwas Besonderes ihr Eigen nennen möchten. Der in ex-Bourbonfässern gereifte Single Malt kommt in der 0,5 Liter Flasche und ist auf 760 Flaschen limitiert (die Anzahl entspricht der Zahl der Einwohner der Gemeinde Rüdenau im Jahr 2016). Für 199€ kommt die Flasche in einer Holzgeschenkbox mit zwei Gläsern, Zertifikat sowie einer zusätzlichen kleinen Probierflasche.

Im Übrigen, so gibt Mario schon mal einen kleinen Ausblick, werden sich die ersten Veröffentlichungen an Single Malts an den Small Batch Releases der Spirit of St. Kilian-Reihe orientieren, d.h. die Kunden dürfen sich zunächst über Abfüllungen in kleinerer Stückzahl mit unterschiedlichen Fassreifungen freuen, zumindest so lange, bis der Bestand der Fässer für eine erste Standardabfüllung reicht, die man in gleicher Qualität über längere Zeit anbieten kann.

Wenn sich dieses Konzept dann auch preislich in etwa in der Kategorie der bisherigen Abfüllungen von St. Kilian bewegt, wäre dies sehr zu begrüßen, denn die gebotene Qualität ist schon jetzt beachtlich. Besonders das aktuelle Batch 4 mit seinem torfig-fruchtigen Charakter weiß zu gefallen.

Vielen Dank an Mario Rudolf für die ausführliche Tour sowie die Einblicke in die Philosophie des Unternehmens.

Björn Bachirt

 

, ,
Vorheriger Beitrag
J.J. Corry The Gael Irish Whiskey
Nächster Beitrag
Bruichladdich Black Art 06.1

Ähnliche Beiträge

Menü