Glenmorangie gehört zu einer der prominentesten Marken der schottischen Whiskyindustrie. Zum Glück ist Gastautorin Julia Sophia Sturm der Einladung von Klaus Postert (Postert Whisky) zu Flammkuchen und Whisky gefolgt und hat sich, geleitet von Brand Ambassador Thomas Zilm, auf Entdeckungsreise begeben.
Flammkuchen und die drei Säulen von Glenmorangie
Liebe Leser, bevor Gerüchte über Björn entstehen, darf ich Euch besänftigen: hier schreibt Julia – Björn ist so nett, mir ein paar Zeilen auf seinem Blog einzuräumen, dafür ein herzliches Dankeschön.
Zurück zum Flammkuchen aus dem eigenen Steinofen, zum Whisky aus den Northern Highlands und zu Thomas Zilm, Brand Ambassador von Ardbeg und Glenmorangie, der mit seiner unverwechselbaren Art gemischt aus Fachwissen und Unterhaltung durch den Abend führte. Es lockte ein „Verticaltasting“ der Destille Glenmorangie, die bisher für mich einen nahezu weißen Fleck auf der Whiskygenusskarte darstellte und das, obwohl sie bei der Betrachtung von Absatz und Umsatz immerhin Platz sieben der globalen Marktstruktur für Scotch abbildet.

6.400.000 Liter Rohbrand pro Jahr, 325 Tonnen Gerste pro Woche, über 8 Meter hohe Brennblasen, 16 Men of Tain und heute 8 Whiskies zur abendlichen Auswahl. Das sind nur Zahlen, widmen wir uns dem Inhalt.
Stop, bevor es richtig los geht serviert uns Bartender Thomas noch einen Wilkommensdrink. Ein Ardbeg Ten darf sich zusammen mit viel Minze ins Glas begeben und die Gäste erfrischen – dies wird übrigens, abgesehen vom Steinofen, das rauchigste Erlebnis des Abends bleiben, denn die Brennerei lässt mit dem Minimalwert von 2ppm bei Simpsons mälzen.
Glenmorangie baut seinen Erfolg auf drei Qualitätskriterien auf. Die erste Säule ist das Wasser aus der „Tarlogie Spring“. Schon zu Zeiten der Ale-Herstellung war man sehr bekannt für die fruchtigen, blumigen, frischen Aromen, die dieses an der Nordsee abregnende und sich rund 100 Jahre mit Calcium und Magnesium anreichernde, keinesfalls weiche, Wasser mit sich bringt.
Die zweite Säule bilden die Brennblasen mit alleine 5,14 Meter hohen Brennhälsen, die durch das intensivere Redestillieren noch mehr Fruchtigkeit in den Rohbrand bringen. Die dritte Säule ist das Fassmanagement, welches 60 – 70% des späteren Produktes ausmacht, meistens sind es hier First- und Second-Fill Bourbonfässer, dazu aber später mehr. Während das Holz, nicht das der Fässer, für die ersten Flammkuchen durchglüht, schauen wir uns an, was Thomas uns mitgebracht hat.

Fruchtig soll er sein
Beginnen dürfen wir mit einem New Make aus 2006, der mit den üblichen 63,5% aufwartet, welche die perfekte Ausgangssituation für die Kommunikation zwischen Destillat und Fass bilden. In der Nase ist es eine unglaubliche Fruchtigkeit, man meint, einen Obstbrand vor sich stehen zu haben.
Kurz muss ich etwaig aufkommende Romantik beiseite schieben, denn der New Make kommt nicht etwa aus hölzernen Washbags, sondern darf in Edelstahl schwimmen. Ansonsten traditionsbewusst, ist man in dieser Hinsicht bei Glenmorangie eher pragmatisch und auf Systematik bedacht. Edelstahl ist schneller zu reinigen und man vermeidet die Bildung von Lactosebakterien. Das mag nicht nur den ein oder anderen Allergiker aufatmen lassen, sondern vor allem wird dadurch die diesbezügliche Gärung vermieden und die so sehr gewünschte Fruchtigkeit noch mehr unterstützt. Übrigens hat Glenmorangie als einzige Destille in Schottland drei unabhängig voneinander arbeitende Labore, die biochemisch sämtliche Prozesse überwachen, dies spiegelt das ambitionierte Streben nach Perfektion wieder.
Begeben wir uns vom New Make nun zum meistverkauften Single Malt in Schottland, dem Original 10y mit 40%, gereift in First- und Second-Fill Bourbonfässern. Es erscheinen Pfirsich und grüner Apfel, Malz und Marzipan in der Nase und am Gaumen, insgesamt eine sehr leichte fruchtige Angelegenheit. Wir bewahren etwas davon als Geschmacksbench im Glas.

Whisky als Digestif
Nun kommt der Lasanta an die Reihe, gälisch für Wärme & Leidenschaft, der ebenfalls 10 Jahre im Bourbonfass schlummern durfte und danach für zwei weitere Jahre in 60% Olorosso- und 40% PX-Sherryfässern reifte. Bis vor ein paar Jahren wurde er noch mit 46% abgefüllt, inzwischen sind es 43%. Uns erwarten Orange, Karamell, viel Walnuss mit dezenter Bitterkeit, dicke Rosinen aus dem PX. Er stand lange im Schatten des „Sherry Woodfinish“, weil dieser höhere Standards setzte; daher hat man beim Lasanta später die Prozente reduziert und das PX-Fass hinzugenommen. Er ist nun ein klassischer Digestifwhisky nach dem Whisky 😉
Hier deutet sich schon ein wenig an, was Glenmorangie so wichtig ist: das Woodmanagement, die dritte Säule, die Fassarbeit. Drei Brennereien haben in der Geschichte der Whiskyherstellung mit ebendieser Fassarbeit angefangen: Vorreiter war Balvenie mit dem Double Cask. Als zweite Destille trat Glenmorangie die Fassarbeit an, die dritte Destille ist Glen Moray, welche bis 2008 zu Glenmorangie gehörte und als Versuchsdestille fungierte.
Quinta Ruban ist unser dritter Whisky im Glas, er wird die üblichen 10 Jahre im Bourbonfass gelagert und darf danach für zwei Jahre in 600 Liter PortPipes übersiedeln, abgefüllt wird er mit 46%. Viel Nuss und Schokolade klingen an, etwas Piment und Muskatnuss, Orange spielt ebenfalls wieder eine aromatische Rolle. Für viele Gästen ist es einer der Favoriten des Abends.
Nach diesen ersten drei Whiskies wird eine kleine Pause eingelegt und viele sind sich einig: ja, die Whiskies sind sehr weich und fruchtig. Noch warte ich auf das für mich spannende Geschmackserlebnis. Die Whiskies werden zwar langsam komplexer und vielschichtiger, ich finde sie jedoch etwas sehr clean, sehr geradlinig, sehr systematisch. Für Einsteiger werden sie oftmals empfohlen, sicherlich aufgrund des weichen Charakters, keinesfalls würde ich sie jedoch durchweg als „easy drinking“ bezeichnen und sehe die Empfehlung daher partiell durchaus kritisch. Nach einer kleinen Stärkung geht es weiter.
Nektar
Bei Nummer vier, dem Nactar d’or, dürfen die ersten zehn Jahre im Borbonfass nun mit zwei weiteren Jahren im Sauternes abgerundet werden, er hat 46% und macht seinem Namen alle Ehre: unglaublich viel Honig, etwas Muskatblüte, weißer Pfeffer und frische Ingwerschärfe am Gaumen, für mich wird es nun interessanter, bei vielen Teilnehmern lag er sehr weit vorne im persönlichen Ranking des Abends. Übrigens war der ungefähr zwanzig Jahre früher auf dem Markt befindliche Glenmorangie Madeira Finish der weltweit erste Whisky mit Lagerung in einem Likörfass.
Tal der Ruhe
Gebacken werden heute Abend nicht nur Flammkuchen, sondern es kommt dazu passend der Bacalta ins Glas, der fünfte Whisky, ist der gälische Begriff für’s Backen. Aufgegriffen wird damit die zweijährige Fassreifung im Madeirafass, welche sich einer zuvor zehnjährigen Reifung im Bourbonfass anschließt.Apropos, sprechen wir ein wenig gälisch: Glen = Tal, Mor = groß, mächtig, Angie = Ruhe.
Auf dem Etikett finden wir keine Altersangabe, stattdessen wurde hier vermerkt, dass angeblich Farbstoff drin ist. Ist er aber gar nicht! Nun ja, was soll man sagen, deutsche Anforderungen treffen auf schottische Gelassenheit, da schreibt man schon mal etwas auf die Flasche, nur um der lieben Ruhe Willen. Es könnte uns im Laufe des Abends also durchaus öfter passieren, dass real nicht immer Farbstoff drin ist – das Amüsanteste an diesem Fakt war die zwischendurch immer mal wieder aufflammende Diskussion zwischen Thomas und einem Chemielehrer aus unserer Runde über den Sinn und Unsinn von Zuckercouleur. Die perfekte Zeit, sich zurückzulehnen und noch einmal in Ruhe am Glas zu nippen: es erwarten uns reichlich Süße, die Orangen sind wieder da, Aprikose, Melone, etwas Marzipan und Trockenfrüchte. Ein netter Sommerwhisky, die No. 8 der private edition aus dem Jahr 2017.

Vorsicht! Bissiger Roggen!
No. 9 der private edition aus 2018 und unser sechster Whisky dieses Abends ist der Spios, ebenfalls ohne Altersangabe, ebenfalls mit 46% abgefüllt, ebenfalls real ungefärbt, allerdings hier nicht mit der 10+2 Formel gereift, sondern über zehn Jahre ausschließlich in ehemaligen Rye-Fässern. Ha! Da ist doch etwas anders! Eine volle Reifung in Rye-Fässern. Das setzt bisher kein anderer Single Malt in dieser Weise um. Rye, genau, das ist der, den ich eigentlich nicht so mag. Eigentlich, denn gerade steht mein Favorit des Abends vor mir im Glas. Da ist eine intensive Fruchtigkeit begleitet von dem bissig griffigen Roggen mit dem sich ein ausgeprägter Getreideduft breit macht. Spios, der gälische Begriff für Gewürz, trägt seinen Namen zu Recht. Die Süße ist wieder leicht da, ein bisschen Nelke kommt durch, leichter Toffee aber stets ist das Getreide präsent. Mag ich.
Die nun gebrochene Vereinheitlichung der Parameter führt unser nächster Whisky fort. Der Extemely Rare 18y mit 43%. Er darf 15 Jahre im Bourbonfass verweilen, dann werden 30% in Olorossofässer umgefüllt, nach 3 Jahren werden sie wieder verheiratet. In der Nase ist er sehr gebändigt, präsent aber unaufgeregt, elegant und trotz Komplexität ausbalanciert. Im ersten Moment bin ich enttäuscht. Doch er braucht natürlich Zeit. Nach einer langen Weile und mehr Sauerstoff rieche und probiere ich erneut: Es kommen Malz und Holznoten daher, Frucht, dezente Walnuss und eine filigrane Holzrauchigkeit vom Bourbonfass. Der Abgang ist mittellang, das ist für den heutigen Abend neu und tut ihm gut; mir auch.
Hilton of Cadboll Stone
Das handwerkliche Meisterstück von Glenmorangie beschließt den Abend, der Signet hat seinen Auftritt. Er ist weder der ältereste noch der teuerste, aber in diesem Single Malt ohne Altersangabe steckt viel Leidenschaft. Das Symbol Signet findet sich auf jeder Flasche von Glenmorangie, es ist einem Jagdkalender des Hilton of Cadboll Stone aus dem 8. Jahrhundert nachempfunden und steht für die Verbundenheit mit der Region und für das Traditionsbewusstsein der Destille. Ich schmecke viel Espresso, Kakao, Schokolade. Er ist sehr präsent im Mund und hat einen mittellangen Nachklang.
Die Herstellung des Signet fußt auf vier Säulen. Die erste traditionelle Säule ist das Alter. In ihm sind die ältesten Whiskies 35 Jahre alt. Die zweite traditionelle Säule ist die Reifung, er darf im Olorossofass liegen. Die dritte moderne Säule ist das Fassdesign, es ist eine langsam wachsende Eichenart mit Nordhanglage und daher sehr feinen Poren, die 24 Monate im Freien trocknen darf. Die Feinporigkeit verursacht eine geringe Taninabgabe, daher bilden sich milde Aromen mit viel Struktur. Diese Fässer werden als Virgin-Cask verwendet. Die vierte moderne Säule ist der High Roasted Chocolate Malt, bei dem das Malz nach der Trocknung erneut geröstet wird. Dem geringeren Output, bedingt durch den minimierten Zuckergehalt, stehen feine Röstaromen gegenüber. Schon der New Make sei daher völlig anders. Hergestellt wird der Signet 4-6 mal im Jahr, denn zur Freude aller darf die komplette Produktionslinie danach komplett gereinigt werden. Leidenschaft.

Die Asche, der Rauch, der Speck
Leidenschaft zeigte auch Thomas bei seiner Präsentation der Whiskies und seinen humorvollen und von unheimlich viel Detailwissen geprägten Diskussionen mit uns, wofür ich mich herzlich bedanke. Glenmorangie ist mir von nun an ein Begriff und ich schätze die Präzision und das wahrlich vorhandene Streben nach Perfektion in der Destille, auch die Pionierarbeit im Bereich des Fass-/Woodmanagements ist bemerkenswert. Der Signet ist schon eine Hausnummer, besonders wenn man sich die Arbeit dahinter anschaut, mein Favorit des Abends ist zu meinem eigenen Erstaunen jedoch der Rye-lastige Spios, einfach weil er völlig anders ist. Meine Leidenschaft gilt nunmal weiterhin eher den Whiskies mit Ecken und Kanten, den unperfekten Whiskies mit längerem Abgang und dunkleren, ungefälligeren, dreckigeren Geschmacksnoten. Daher kamen für mich die Flammkuchen gerade recht, die Asche, der Rauch, der Speck, wunderbar 😉
Julia Sophia Sturm
VIELEN DANK an Julia Sophia Sturm für ihren anschaulichen Beitrag über das Verticaltasting bei Klaus Postert. Wärmstens empfehlen möchte ich an dieser Stelle die Seite Spirit Ambassador von Thomas Zilm, die mit fundierten, unterhaltsamen und hervorragend recherchierten Berichten den geneigten Leser unterhält.