Ardbeg AN OA

Wenn die Islay-Brennerei Ardbeg nach einer Dekade zum ersten Mal wieder ihr Kernsortiment erweitert, lässt dies die Whiskygemeinde aufhorchen. AN OA (gesprochen AN:OH) heißt die neue Abfüllung, welche dauerhaft verfügbar sein soll. Seit Anfang Oktober ist sie nun in Deutschland erhältlich.

Pünktlich zum „Ardbeg-Day“ bringt die Brennerei jedes Jahr einen neuen Release heraus. Allerdings handelt es sich hierbei immer um streng limitierte und damit nur für begrenzte Zeit erhältliche Abfüllungen, welche regelmäßig zu kontroversen Diskussionen führen. Während  Ardbeg-Fans und Committee-Mitglieder dem jährlichen „Ardbeg-Day“ gespannt entgegen fiebern, sehen andere hierin nur ein übertriebenes Marketing-Brimborium für Whiskys zu überteuerten Preisen. Wann immer ich mit Whiskybegeisterten diskutiert habe – irgendwie gab es beim Thema Ardbeg nur schwarz oder weiß.

Liebhaber rauchiger Whiskys scheinen sich jedoch wenigstens bei der Qualität des Kernsortiments weitgehend einig zu sein – Ardbeg TEN, Uigeadail und Corryvreckan bieten eine außerordentlich gute Qualität zu einem vernünftigen Preis. Viele wünschten sich deshalb schon lange eine Erweiterung des Kernsortiments. Den Wunsch hat die Brennerei nunmehr mit dem Ardbeg AN OA erfüllt.

Brennerei Ardbeg

 

Im Jahr 2015 feierte Ardbeg sein 200jähriges Bestehen. Offiziell gegründet im Jahr 1815 wurde dort schon vorher Whisky schwarz gebrannt. Die Geschichte Ardbegs begann wohl bereits 1794. Zunächst blieb ihr das Schicksal vieler schottischer Brennereien mit ständig wechselnden Besitzern erspart, denn bis zum Jahr 1959 blieb sie im Besitz der Gründerfamilie MacDougall.

1977 übernahm dann der Hiram Walker-Konzern (Canadian Club) die Destillerie, allerdings war dieses Engagement nicht von Erfolg gekrönt, denn schon 1981 wurde sie wieder geschlossen. Bis zum Jahr 1989 ruhte der Betrieb bis die Firma Allied Distillers die Brennerei übernahm. Vom Glück gesegnet schien die Produktion dort aber weiterhin nicht, denn der Betrieb wurde im Juli 1996 wieder eingestellt bis im Jahr darauf McDonald & Muir (Vorläufer von Glenmorangie PLC) die Destillerie übernahm. Dort verfügte man offensichtlich über die nötige Ausdauer und ausreichende finanzielle Mittel, denn Ardbeg stieg nun wie Phönix aus der Asche auf.

Produziert werden derzeit jährlich ca. 1,3 Mio. Liter reiner Alkohol, womit Ardbeg eher zu den mittelgroßen Brennereien gehört. Das Wasser für die Produktion stammt aus den umliegenden Lochs Uigeadail und Annambeast, die Gerste aus der Mälzerei in Port Ellen.

Zum Kernsortiment gehörten bislang neben dem Ardbeg 10 Jahre (kurz TEN), lediglich der Uigeadail sowie der Corryvreckan (beide ohne Altersangabe).

Ardbeg TEN und Uigeadail

Um das Neue besser bewerten zu können, lohnt sich vielleicht zunächst ein Blick auf das Bewährte und Bekannte. Von daher habe ich mir den Ardbeg TEN und den Uigeadail (jeweils Abfüllungen aus dem Jahr 2016) noch einmal vorgenommen – zwei meiner absoluten Favoriten, wenn es um rauchige Whiskys geht.

Der Ardbeg TEN (46% vol.) reifte in Ex-Bourbonfässern. Beim Einschenken fällt die sehr helle, fasst an Weißwein erinnernde, Farbe auf. Es ist aber eine ehrliche Farbe, denn wie alle Whiskys aus dem Hause Ardbeg ist auch der TEN nicht gefärbt (und nicht kühlgefiltert).

Der TEN ist ungestümer Whisky, dessen phenolisch/medizinischer Rauch direkt nach vorne drängt. Erinnert mich anfangs an dieses Leukoplast-Tape, geht dann aber zunehmend in Räucherschinken oder Räucherfisch über. Es braucht einige Zeit, bis sich die Nase hieran gewöhnt hat. Für mich schwingt dann immer auch eine Note von frischen Tannennadeln mit, gepaart mit einer leichten Zitrus- und Lakritznote, einem Hauch Vanille und etwas Salz. Man erwartet es nicht, aber der erste Antritt im Mund ist sehr süß und würzig. Das fand ich schon immer so faszinierend bei diesem Whisky. In der Nase immer ein wenig kratzbürstig, im Mund aber gefällig, prickelnd und süß. Die Rauchnote bleibt dabei natürlich stets präsent, sorgt mithin für einen langen Nachklang mit einem schönen Wechselspiel aus Rauch, Süße, ein wenig Tee, Lakritz und Jod.

Ganz anders vom Charakter präsentiert sich dagegen der Uigeadail, der mit kräftigeren 54,2% vol. abgefüllt ist. Auch hier natürlich eine dominante Rauchnote, welche Assoziationen nach glimmenden Holzscheiten, Asche, Jod, Teer vermittelt – ein bisschen wie ein altes Hafenbecken mit rostigen Kähnen. Nach einer Weile im Glas tritt der Rauch ein Stück zurück und lässt Aromen von Zimt, Piment und Karamell frei, gepaart mit einem deutlichen Sherryeinfluss. Am Gaumen zunächst zurückhaltend, macht sich dann doch der höhere Alkoholgehalt bemerkbar – prickelnd, kräftig aber weniger süß als beim TEN, dafür mit etwas mehr Säure und wieder einer Assoziation nach Salz. Im Nachklang Rauch, Asche und ein Hauch von Nussigkeit.

Ardbeg AN OA

Und wie schlägt sich nun der „Neue“? Ist er besser? Muss er überhaupt besser sein?

Benannt ist der Whisky nach dem „Mull of Oa“, dem südwestlichsten Ausläufer der schottischen Hebrideninsel Islay. Dessen hohe Felsklippen schützen Islays Südküste vor den Atlantikstürmen. Die offizielle Pressemitteilung spricht deshalb von einer:

„Hommage an seine ungezähmte Herkunft, mit Kontrasten von mächtiger Intensität und süßer Seidigkeit“

Ja, die Whiskys der Brennerei müssen heutzutage halt auch immer eine gute Geschichte erzählen… An guten Marketingideen fehlt es jedenfalls nicht, wenn Ardbeg davon spricht, dass in dem eigens geschaffenen „Gathering Room“ ein „rauchig-süßer Single Malt seine Gestalt annimmt.“ In diesem Gathering Room steht nun ein großes Fass aus französischer Eiche, in dem für den AN OA Whiskys aus Ex-Bourbonfässern, ehemaligen Pedro Ximénez Sherryfässern und neuen Eichenfässern (Virgin Oak) miteinander vermählt werden.

Marketing hin oder her – wichtig ist aufm‘ Platz, wie der Fußballer sagt. Und dort – also im Glas versteht sich – erleben wir einen Ardbeg mit durchaus eigenständigem Charakter (abgefüllt mit 46,6% vol.).

Am Anfang, wie soll es auch anders sein, Torfrauch, wenngleich von seiner Art her subtiler als beim TEN und Uigedadail und mit anderem Charakter. Ich kann mir nicht helfen, aber die erste Assoziation war der Geruch von einem Stapel neuer Autoreifen bei einem Reifenhändler und ein Öllappen – aber nicht unangenehm, denn der Rauch ist zwar deutlich spürbar, gleichzeitig stürmt er nicht so sehr nach vorne, wirkt eher ausbalanciert und gut eingebunden in die anderen Aromen, die der Whisky noch zu bieten hat. Daneben finden sich Anklänge von Anis, Zimt, Karamelltoffee, Eiche und Banane; insgesamt recht jugendlich und frisch, aber die Virgin Oak Fässer sorgen für die nötige Würze. Von dem Einfluss der PX-Sherryfässer merke ich eher wenig.

Ausgesprochen schön ist die äußerst cremige Textur. Im Mund sirupartig, allerdings weniger süß als erwartet, drängen sich vor allem Aromen von Tee (Lapsang Souchong) und Pfeifentabak nach vorne, vielleicht noch ein wenig Zimt und Pfeffer. Der Pfeifentabak bleibt auch in einem mittellangen Nachklang noch präsent. Insgesamt sehr rund und ausbalanciert.

Ist er nun besser als der TEN oder Uigeadail? Meiner Meinung nach nicht. Muss er aber auch nicht sein. Durchaus komplex und eigenständig stellt er eine angenehme Bereicherung für das Kernsortiment dar, mit dem man bei Ardbeg stets wunderbar bedient ist. Mein persönlicher Favorit bleibt weiterhin der TEN.

Björn Bachirt

 

 

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